Wenn bei der Zucht von Tieren Schmerzen, Fehlbildungen und andere gesundheitliche Schäden aus wirtschaftlichen Gründen in Kauf genommen werden, bezeichnet man dies als Qualzuchten.
Wie ich in meinem praktischen Jahr feststellen musste, sind eben diese Tiere tägliche Besucher der Klinik und wir als Tierärzte können nur versuchen, das Leiden der Tiere, welches ihnen durch uns Menschen angezüchtet wurde, zu minimieren. Zu den Brachycephalen, also kurz- oder rundköpfigen Rassen gehören mittlerweile viele Vertreter. Neben den bekannten Möpsen, Französischen und Englischen Bulldoggen zählen auch Boxer, Pekingesen, Shi-Tzus, Malteser, Boston Terrier, Chihuahuas und Cavalier-King- Charles-Spaniel zu den an Atemnot leidenden Rassen. Als erstes möchte ich betonen, dass es keine „rassetypischen“ Atemgeräusche gibt. Wenn es bei der Atmung zu Nebengeräuschen kommt, ist das schlichtweg krank! Nicht süß, nicht niedlich, nicht typisch. Versucht euch einmal an eure letzte Erkältung zu erinnern oder daran, als ihr das letzte Mal mit einem nasal klingenden Menschen geredet habt, welches Gefühl hattet ihr dabei? Welcher Gedanke ging euch durch den Kopf? Richtig! Dieser Mensch ist krank. Also warum empfinden wir etwas, das für uns definitiv ein Symptom ist, bei unseren Hunden als niedlich? Eine Antwort darauf könnte die so genannte „Kognitive Dissonanz“ sein. Dabei handelt es sich um eine extrem verzerrte Wahrnehmung der Realität, vor allem unter den Haltern brachycephaler Rassen. Während diese Besitzer zwischen 70-90% der anderen Vertreter ihrer Rassen als krank empfinden, wird häufig betont, dass aber IHR „Schnuffel“ total gesund und davon gar nicht betroffen sei. Diese Leute lügen nicht, sie empfinden es einfach so. Des Weiteren wird der Hund immer mehr zum Ersatzpartner. Viele Leute kaufen aus Einsamkeit oder um Sozialpartner zu ersetzen einen Welpen. Und was stört am Hund als Ausgleich für den Sozialpartner Mensch am meisten? Die lange Schnauze. Seht euch mal Bilder an, Möpse und Französische Bulldogen mit ihren parallel angeordneten Augen, flachen Gesichtern und nach oben gerichteten Mundwinkeln ähneln uns immer mehr. Und der zusätzliche Bonus, wir können uns um sie kümmern. Das Betreuungsbedürfnis des Menschen darf nicht unterschätzt werden. Wer krank ist, wird versorgt. Das gibt nicht nur uns ein Gefühl von Wohlbehagen und Selbstlob, es schüttet auch Glückshormone aus und sorgt für Ansehen in der Gesellschaft. Doch zu welchem Preis? Die schaurige Achterbahn der Fehlbildungen unserer brachycephalen Vierbeiner beginnt an ihren Nasenlöchern. Die Stenose oder auch Verengung sorgt unter anderem dafür, dass sie gegen den 4-fachen Atemwiderstand atmen müssen. Das ist in etwas so, als hättet ihr euer ganzes Leben lang eine schwere Erkältung. Wer sich nicht erinnert, kann einmal seine Finger an die Nasenflügel legen und Druck Richtung Nasenwurzel ausüben, konzentriert euch darauf wie viel schwerer das Atmen wird, je kleiner eure Nasenlöcher sind. Weiter geht es im Nasen-Rachen: Das oft viel zu lange und zu dicke Gaumensegel erschwert die Atmung zusätzlich und muss häufig operativ behoben werden. Schon minimal zu lange Gaumensegel lösen beim Menschen extreme Schnarch-Geräusche aus. Als wäre das alles nicht genug, hat auch die Luftröhre der Vierbeiner etwas von den Fehlbildungen abbekommen. Der Schlauch, welcher Luft zum Sauerstoffaustausch in unsere Lungen transportiert, besteht aus einem knorpeligen Gerüst. Dieses ist besonders wichtig,
damit der Durchmesser der Luftröhre sich nicht verändert. Denn wenn diese nur einen Zentimeter kleiner wird, erhöht sich der Widerstand, der zum Atmen überwunden werden muss um die 4. Potenz. Bei kurzköpfigen Rassen kommt es allerdings häufig zum so genannten Trachealkollaps. Bei diesem bricht das eben erwähnte Gerüst zusammen und im schlimmsten Fall ist gar kein Durchmesser mehr vorhanden, was zu Erstickungsanfällen führt. Auch diese Fehlbildungen müssen operativ durch Einsetzen von Plastik-Spiralen behoben werden. Wie ihr seht, gibt es einige Operationsmethoden, allein für diese Defekt-Zuchten. In der Leipziger Uni-Klinik gibt es sogar eine „Nasentruppe“, welche sich darauf spezialisiert hat, diesen Tieren zu helfen. Also eine ganze tiermedizinische Fachabteilung, die es nur gibt, weil wir Hunde krank züchten. Diese Tiere müssen dann neben Stress und stundenlange Narkosen, invasive Eingriffe und danach eine Heilungsphase mit Schwellungen und in schlechten Fällen Entzündungen über sich ergehen lassen. Manchen Tieren hilft auch diese Operation nicht mehr. Zusammengefasst: Jeder 2. hat Atemprobleme beim Schlafen, jeder 4. schläft im Sitzen, weil er Angst hat im Liegen zu ersticken und jeder 10. erleidet in seinem Leben mindestens einen Erstickungsanfall. Wie lange können wir noch wegsehen?
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